Dilsberg "menschlich" |
Anastasia (Anni) Richtergeb. 28.02.1932 † 14.07.2017 Bild s/w: 1949 |
Ihre Mutter konnte gut nähen und so setzte sie sich daneben und nähte bereits als Schulmädchen Puppenkleider, die sie für 10 Pfennig pro Stück verkaufte.Sie kombinierte geschickt beides und so entstanden im Laufe der Jahre edle, in Brokat und Lurex gekleidete Engel und aufwendig gearbeitete Puppen aus Naturfasern. Für die Körper verarbeitete sie Leinenstoff. Der dazu notwendige Flachs wurde von ihren Vorfahren ausgesät und gesponnen. Als Füllmaterial diente Kapok, eine Hohlfaser des Kapokbaumes, die auch Pflanzendaune genannt wird. 1960 kreierte sie ihre erste bis ins letzte Detail liebevoll gestaltete Puppe. Die zwischen 75 und 80 cm großen „Wesen“ besitzen individuelle und feingliedrige Gesichtszüge. Die älteste Puppe trägt ein Kleid aus Seide, verziert mit einer 100 Jahre alten Spitze und erinnert an die Jugendstilzeit. Da kein Geld für feine Stoffe vorhanden war, arbeitete sie alte Unterröcke und Bettwäsche ihrer Oma um. Alles was sie als Kind gern gehabt hätte, verarbeitete sie in ihren Puppen. Jede besitzt eine eigene Geschichte und weckt Erinnerungen. Eine trägt die Tracht aus ihrer Heimat Böhmerwald, ein paar besitzen Namen, wie die Ungarin Julischka. Kasperle und Räuber Hotzenplotz befinden sich ebenso in ihrer „Puppenstube“ wie „Dornröschen“ und das weithin bekannte Traumpaar, „Rose von Dilsberg“ und „Ritter Wolf von Hirschhorn“, fehlt ebenfalls nicht in ihrer imposanten Sammlung. |
Bild: Kostüme "Die Rose von Dilsberg" 1963 Für die „Dilsberger Burgbühne“ war sie ein besonderer Glücksfall, sozusagen die gute Fee. Nach einem Aufruf im Jahr 1980 erklärte sie sich bereit, für das Traditionsstück „Rose von Dilsberg“ mittelalterliche Gewänder zu nähen. Anni Richter vollbrachte das Kunstwerk aus wenig viel zu machen. Die zeitgemäßen Muster entwarf sie nach dem Betrachten diverser Gemälde, färbte Bettwäsche sowie Matratzendrill und schneiderte etwa 50 Kostüme. Im Laufe der Jahre kamen immer weitere dazu, bis sie am Ende einen Fundus von zirka 130 Kostümen besaß, auf den die Schauspieler dankbar zurückgreifen konnten. Selbst die gestreifte Bettwäsche ihrer Großmutter verarbeitete sie und der Zuschnitt erfolgte ohne Vorlage. Sie besaß die Gabe sich in die damalige Zeit reinzudenken und bastelte sich die Modelle zurecht. 1982 fertigte sie auf Bitte des damaligen Ortsvorstehers Stefan Wiltschko auch zeitgemäße Kinderkostüme. Mit Nadel und Zwirn gelang es ihr immer wieder geschickt das benötigte Gewandt passgerecht für den jeweiligen Darsteller abzuändern. |
2011 übergab sie ihren Fundus an die Burgbühne. Ein Lebenswerk, das bei ihrer Nachfolgerin Uschi Ess einen würdigen Platz fand und liebevoll weiterbetreut wird. Zwei Jahre später bereitete ihr die zweite Vorsitzende, Corinna van Soldt, eine große Freude und zeigte ihr das Atelier in Lobbach. „Jetzt lern ich Sie kennen, das ist mir eine große Freude!“ begrüßte sie ihre Vorgängerin. In einem separaten Raum, übersichtlich sortiert nach kurzen Oberteilen, langen Kleidern, Einzelteilen und Kombinationen befinden sich all die schönen mittelalterlichen Gewänder und warten auf ihren nächsten Einsatz. „Sehr schön, was Sie mit wenig gemacht haben. Da steckt viel Liebe und Arbeit drin.“, bescheinigte Uschi Ess ihrer Vorgängerin. „Sehen Sie das?“ fragte die alte Dame bewegt, als sie ihre Kreationen wie ein gut gehüteter Schatz inmitten der neuen Kollektion wieder sah. Es war ein Treffen voller Herzlichkeit und gegenseitiger Wertschätzung. |
Der Name Anni Richter wird immer einen festen Platz in der Burgbühne haben, nicht zuletzt auch durch ihre Tanzgruppe, die sie 1988 nach einem Kurs an der Volkshochschule gründete. Zwölf Frauen begeistern seitdem mit ihren Vorführungen, die sie meist mittelalterlich gewandet in selbst genähten Kostümen darbieten. Noch heute erfreut die Gruppe, deren Leitung sie inzwischen aus Altersgründen abgegeben hat, mit ihrem Folkloretanz und der Name „Anni-Richter-Tanzgruppe“ ist geblieben. Zu Anni Richters kreativer Vielfältigkeit gehört auch die Vorliebe für die Bauernmalerei und dennoch bezeichnet sie sich in ihrer Bescheidenheit nur als „beinahe Künstlerin“. |
Text: Beate Oemler Bilder Burkhard Zantopp Bilder 1949 & 1963: privat |
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