Zu Hause im Kommandantenhaus auf dem Dilsberg Literaten genießen Stipendium der Kulturstiftung Rhein-Neckar-Kreis 17. Oktober 2015 |
Seit ihrer Ankunft im September haben sich die beiden Herbststipendiaten der Kulturstiftung Rhein-Neckar-Kreis, Ingrid Annel und Stefan Petermann, gut im Kommandantenhaus auf dem Dilsberg eingelebt. Schon am ersten Morgen wachte sie mit dem Gefühl auf: „Hier bin ich angekommen!“ Sie, Jahrgang 1955, lebt und arbeitet in Erfurt - er, Jahrgang 1978, in Weimar. Beide sind Mitglieder der Literarischen Gesellschaft Thüringen, wo sie seit 5 Jahren zusammen in der Jury sitzen. |
Ingrid Annels berufliche Laufbahn liest sich wie ein spannender Roman, zeugt von Flexibilität, Neugier, Kreativität und mutigen Entscheidungen. Nach dem Pädagogikstudium sowie Forschungs-studium der Literaturwissenschaften arbeitete sie als Bauarbeiterin in der Ukraine, Lehrerin, Buchhändlerin, Dramaturgin, Lektorin, Musiklehrerin, Musikerin und Bücherclown. Aufgrund vielseitiger Interessen fiel ihr eine Entscheidung schwer, deshalb begann sie zunächst mit dem was sie locker konnte, Physik und Mathe. Im ersten Studienjahr beschäftigte sie sich mit Hochfrequenzspektrum u. Elektrospins und spielte nebenbei Theater. Gespräche mit Kunstleuten und über Kunst verstärkte ihr Interesse, weshalb sie nicht promovierte sondern die Richtung wechselte und Germanistik/Kunsterziehung studierte. Ihre literarische Karriere begann sie mit Kindergeschichten u. -gedichten, später schrieb sie für Erwachsene Literatur über Thüringen, u.a. Städteportraits. Viel Freude bereitete ihr das selbst geschriebene Erzähltheater-Programm, bei dem eine Figur im Mittelpunkt steht, während sie mit Musik, Kostüm und durchgehender Geschichte unterhält. Ihr Anliegen ist das Sprechen und Sprachspiel zu fördern und zu zeigen, wie toll Bücher sind. Von Haus aus ist sie eher schüchtern, doch als ein Bekannter einen akkordeonspielenden Clown suchte, sagte sie spontan zu und fing an ein Kostüm zu nähen. Mit jedem Teil wuchs sie mehr in die Rolle rein, schrieb die Texte und stellte fest: „Die Rolle ist ein guter Schutz und hilfreich!“ Dieser Impuls ließ sie zehn Jahre lang als Bücherclown auftreten. In „Dornröschen und das kleine Gespenst“, eine interaktive Geschichte für Kinder, sorgte sie als Küchenmagd für Schwung und Stimmung. Den Aufenthalt auf dem Dilsberg nutzt sie zum intensiven Arbeiten und für Lesungen, ein Buch ist bereits in der Endphase, das andere in Bearbeitung. Daneben möchte sie noch ein Herzensprojekt verwirklichen, ein Buch für Jugendliche. Ihre Naturverbundenheit zieht sie hinaus in die herbstlich gefärbten Wälder, deren Farbintensität sie ebenso fasziniert, wie der typische Herbstnebel, der um Bergkegel und Kommandantenhaus zieht: „Der Nebel ist wenig greifbar und doch wird er im Gedächtnis bleiben.“ |
Für Stefan Petermann kristallisiert sich beim Studium der Mediengestaltung schnell der kreative Aspekt heraus. Lesen und insbesondere das Schreiben ist für ihn, der auch Filme gemacht hat, ein wichtiger Bestandteil. „Im Buch erzählt man eine Geschichte allein mit Worten.“ Ihn fasziniert es die „Welt“ komplett am Schreibtisch aufzubauen. Sein Schreibstil - Magischer Realismus - ist eine Mischung aus Wirklichkeit und fantasievollen Elementen. Er selbst beschreibt es als etwas Schwebendes, Unwirkliches mit dem er die Realität erhöht. Er liebt es Dinge zu hinterfragen und logisch zu entwickeln. Mit seinen Geschichten und in seinen Büchern regt er die Fantasie des Lesers an, so dass sich durchaus unterschiedliche Meinungen zu den literarischen Figuren bilden können. So stellt sich dem Leser im Laufe der Geschichte die Frage, wem kann ich vertrauen? Er schreibt in verschiedenen Ebenen, wodurch jeder Leser das Leben des Protagonisten anders wahrnehmen kann. „Das zwingt ihn selbst etwas zu schaffen und unabhängig seine eigene Wahrheit zu entdecken.“ Hier auf dem Berg genießt er die Zeit, um sich auf seine Texte und Lesungen zu konzentrieren. „Das Stipendium ist wohltuend für eigene Projekte.“ Anfang des Jahres war er als Stadtschreiber in Wels, Österreich, unterwegs. Der fremde Blick auf das Geschehen in der Stadt und die vielen Impulse beschäftigen nun seine Gedanken auf dem Dilsberg, die dazugehörigen Kapitel erscheinen Ende des Jahres. |
Sie sucht die Ruhe zum Schreiben: „Im Café kann ich nicht schreiben, da ist mir zu viel Ablenkung.“ Auf dem Dilsberg genießt sie bergab über die Wiese zu laufen, die Gedanken fließen zu lassen und das Licht mitzunehmen bevor es wieder in die dunkle Jahreszeit geht. Auf dem Heimweg den Berg hochzulaufen empfindet sie anstrengend: „Tut aber gut!“ Ihn inspiriert Instrumentalmusik: „Musik bringt meine Gedanken zum Schwingen.“ Er benötigt zum Schreiben keinen besonderen Ort aber den richtigen Rhythmus. Gerne geht er um den Berg, während er den Aufstieg sowohl als förderlich als auch anstrengend bezeichnet und genießt auf der Bank mit Blick ins Neckartal den Sonnenuntergang. Beide stellen übereinstimmend fest, die Leute sind nett, die Umgebung sehr schön, die Atmosphäre inspirierend. Zudem genießen sie die Konzerte der Kulturstiftung bei denen sie mit Besuchern ins Gespräch kommen. Bis Ende November leben und arbeiten sie im Kommandantenhaus und fühlen sich hier zu Hause. |
Lesungen: Di, 27.10.2015, 19:30 Uhr im Kreisarchiv Ladenburg Ingrid Annel stellt eine Auswahl märchenhafter, amüsanter, sprachverliebter Geschichten und Gedichte aus ihren Büchern und Manuskripten vor. Di, 10.11.2015, 19:30 Uhr im Kreisarchiv Ladenburg Stefan Petermann liest aus seinen eindringlichen- magisch-realistischen Erzählungen und stellt seinen aktuellen Roman „Das Gegenteil von Henry Sy“ vor. Ein Abend über Momente im Leben, die alles verändern können. Beide Künstler laden im November 2015 zu einer gemeinsamen Lesung auf dem Dilsberg ein. Ort und Termin werden rechtzeitig bekannt gegeben. |
Text: boe Bilder: bz © www.dilsberg.de 18.10.2015 |
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