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Bericht von den „Rainbach-Beschlüssen“ des Gemeinderats
am 29. Juni 2021
  
Vorbemerkung:
Auch dieser Bericht hat wieder eher die Form eines Protokolls, um den Bürgerinnen und Bürgern sowohl den Ablauf der Sitzung als auch die einzelnen Argumente der Fraktionen ausführlicher darzustellen.
 
Der Gemeinderat tagte in der Aula des Gymnasiums. Dadurch war es auch möglich, dass viele Bürger an der besagten Gemeinderatssitzung teilnehmen konnten. Sie kamen überwiegend aus Rainbach.
  
Tagesordnungspunkt Abbruch ehemaliges Gasthaus Neckartal Rainbach
  
Vor Eintritt in die Sachdiskussion beantragte StR Fritsch, die geheime Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt. Dem widersprach der Bürgermeister mit Hinweis auf die Gemeindeordnung. Die Abstimmung ergab: Lediglich StR Fritsch und die Grünen-Fraktion sprachen sich für eine geheime Abstimmung aus.
Der Antrag der Freien Wähler auf namentliche Abstimmung wurde mit vier einzelnen Gegenstimmen und der Enthaltung der Grünen-Fraktion angenommen.
 
Bürgermeister Volk erläuterte einführend: Der Abbruch eines vorhandenen Gebäudes bedarf keiner baurechtlichen Genehmigung. Er muss lediglich angezeigt werden. Wird aber ein solcher Antrag gestellt, dann ist darüber auch abzustimmen.
Ergänzend gab er das Ergebnis einer aktuellen Begehung des Denkmalamtes bekannt: Die bestehenden Gebäude haben keine Denkmaleigenschaft.
   
Der Dilsberger Ortsvorsteher Streib gab dann bekannt, dass der Ortschaftsrat in seiner letzten Sitzung den Abbruch einstimmig abgelehnt habe, hauptsächlich mit der Begründung, dass noch kein abschließendes Gutachten des Landesdenkmalamtes vorliege.
  
Als größte Fraktion nahmen zunächst die Grünen Stellung (StR Konrad) zu dem Antrag. Gründe für ihre Ablehnung waren:
 -  Der Antrag kommt zu früh. Die Entscheidung der Bürger ist abzuwarten
 -  Mit einem Teilabbruch könnte ein Teil der alten Gebäude erhalten und Ressourcen geschont werden.
 -  Die Stadt möge sich um ein eigenes Gutachten zu Gebäudeerhalt bemühen und mit dem Investor verhandeln.
  
Die Argumente der Grünen wurden z.T. auch von den anderen Faktionen geteilt, die außerdem folgende zusätzlichen Voten einbrachten:
   
Die Freien Wähler (Rehberger) wollen ebenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt nichts präjudizieren und daher keine Zustimmung erteilen. Ein möglicher Gebäudeerhalt soll überprüft werden.
  
Nach Frau v. Reumont von der CDU gibt es keine baurechtlichen Bedenken, die Zustimmung zum Abriss zu verweigern. Ihre Fraktion hoffe weiterhin auf einen Dialog mit dem Investor.
  
StR Schimpf von der SPD begründete die Ablehnung seiner Fraktion mit dem anstehenden Bürgerbegehren.
  
Inhaltlich schlossen sich dem auch die beiden Einzelmitglieder La Licata und Fritsch an. Letzterer erteilt dem Bauherrn noch die „Weisung“, er solle Altes mit einplanen.
  
Die Abstimmung ergab: Das Einvernehmen zum Abbruch wollten erteilen: 5 Mitglieder der CDU-Fraktion und StR Fritsch. Zwei CDU-Mitglieder enthielten sich der Stimme. Alle anderen Gemeinderat-Mitglieder lehnten das Einvernehmen zum Abriss der bisherigen Gebäude des Gasthofes Neckartal in Rainbach ab.
 
Tagesordnungspunkt Bürgerbegehren „Rainbach“: Zulässigkeit und weiteres Verfahren.
  
Bürgermeiste Volk erteilte zunächst einer der drei Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens, Frau Mayer, das Wort, nicht ohne sie für das erfolgreiche Begehren zu beglückwünschen und das gezeigte Bürgerengagement zu loben.
  
Frau Mayer stellte zunächst fest, dass mit den 1900 Stimmen Neckargemünder Bürgerinnen und Bürgern sich ein Fünftel aller Wahlberechtigten für den Bürgerentscheid ausgesprochen hätten. Sie dankte diesen, dem Ortschaftsrat Dilsberg, und den Fraktionen der SPD, der Freien Wähler und StR La Licata für die Unterstützung.
  
In einem kurzen historischen Rückblick wies sie darauf hin, dass der Gasthof Neckartal bereits 1759 erstmals erwähnt worden sei. Er war damals hauptsächlich Unterkunft für die treidelnden Personen - solche, die mit Pferden und Eseln die Schiffe neckaraufwärts zogen. In den letzten Jahrzehnten war es ein berühmter Landgasthof, in den viele bedeutende Personen aus Politik und Gesellschaft einkehrten.
  
Frau Mayer sah die Beschlussfassung des Gemeinderates zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan auch deswegen als falsch an, weil damals keine eindeutige Klarheit darüber bestanden habe, welche baurechtliche Konsequenzen ein solcher Beschluss haben wird. In Bezug auf die Aktivitäten zur Griechischen Weinstube und zum „Schwanen“, bei denen der Gemeinderat sehr aktiv für den Erhalt kämpfe, habe sich die Mehrheit des Gemeinderates nicht um Rainbach gekümmert. Sie hätte schon 2014 einen damals von der SPD beabsichtigten Antrag auf Veränderungssperre für das Gasthofgelände befürwortet. Sie forderte den Gemeinderat auf, eine solche auch jetzt noch zu erlassen, da dies möglich sei.
Nicht unerwähnt ließ Frau Mayer, dass ein Gespräch der Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens mit dem Investor aus ihrer Sicht positiv verlaufen sei, dessen Aushang in der Hauptstraße für sie aber alles zunichte gemacht habe.
 
Unter Hinweis auf den aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gewölbekeller, der alle Baumaßnahmen in der Umgebung überstanden habe, forderte sie den Erhalt von mindestens Teilen der bisherigen Gebäude.
  
Darüber hinaus kritisierte sie, dass die Stadt nicht das Vorkaufsrecht zum Kauf des Leinpfades wahrnehmen wolle. Dieser Weg müsse auf Dauer für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Schließlich setzte sie sich mit einigen öffentlich geäußerten bzw. geschriebenen Argumenten des Investors und seines Anwaltes auseinander.
   
Für die zukünftige Planung fordere sie auch die Beteiligung der Rainbacher Bürgerschaft, die eine Bebauung wünsche, die in die Umgebung passt und Wohnraum für Familien mit normalem Einkommen schafft. Der Ortsteil Rainbach habe eine Geschichte, „die eine Seele hat“ und deren Belange nur durch die Bevölkerung wahrgenommen werden könne.
    
Abschließend plädierte sie für eine Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses, da ein Bürgerentscheid zu einer dreijährigen Unterbrechung eines Bauvorhabens führe.
  
Bürgermeister Volk dankte für die ausführliche Stellungnahme, wehrte sich aber gegen zwei der Aussagen von Frau Mayer:
1. Eine Änderungssperre von 2014 wäre heute nicht mehr wirksam, da sie nur zwei Jahre bestand habe.
2. Die Stadt hat kein Vorkaufsrecht, um den Leinpfad zu kaufen.
  
Die Fraktionen äußerten sich erwartungsgemäß unterschiedlich zum weiteren möglichen Vorgehen: Als Alternativen wurden aufgezeigt:
  •  Hebt der Gemeinderat seinen Aufstellungsbeschluss zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Rainbach auf und vermeidet damit einen Bürgerentscheid, sind folgende Konsequenzen möglich:
      
    -  Er kann einen neuen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen, der aber ganz anders geartet sein muss, als der jetzige. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben dabei jederzeit das Recht, gegen einen erneuten Beschluss wieder anzugehen.
     
    -  Die zweite Alternative nach einer Aufhebung des Beschlusses wäre,
    dass der Gemeinderat einen eigenen Bebauungsplan auf Kosten der Stadt erstellt (Aussage Stadtverwaltung: Dauer mindestens 2 Jahre). Dieser ist dann nach Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde rechtssicher und kann kaum angefochten werden.
      
    -  Unabhängig davon kann der Investor jederzeit ein Baugesuch nach § 34 Bundesbaugesetz stellen, dem aber das Landratsamt mit der Aufforderung zu einem Bebauungsplan widersprechen kann.
     
  • Wird der besagte Beschluss nicht aufgehoben, muss ein Bürgerentscheid
    durchgeführt werden:
     
    -  Stimmen zwanzig Prozent der wahlberechtigten Bürger dafür, den
    vorhabenbezogenen Bebauungsplan wieder aufzuheben, tritt eine Sperrfist von drei Jahren ein, während derer keine weitere Bauplanung für das entsprechende Grundstück genehmigt werden kann – es sei denn, ein Plan wird durch einen erneuten Bürgerentscheid genehmigt.
      
    -  Kommen keine 20 Prozent Zustimmung zur Aufhebung des vorgenannten Beschlusses zusammen, muss der Gemeinderat erneut beschließen, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen.
      
    Angesichts dieser Sach- und Rechtslage bezogen die Fraktionen folgende Positionen:
      
    StR Konrad für die Grünen: Bei Aufhebung des Beschlusses durch den Gemeinderat gibt er das Heft aus der Hand, weil dann die Initiatoren des Bürgerbegehrens ein Quasi-Vetorecht erhalten und z.B. selbständig mit dem Investor verhandeln könnten. Dadurch drohe - so die Grünen – ein jahrzehntelanger Stillstand oder eine Bebauung nach § 34 Bundesbaugesetz, bei der der Gemeinderat nur geringen Einfluss habe. Mit dem Bürgerentscheid sehen die Grünen die Chance zum Anfang einer neuen Planungsphase, an der alle Interessierten beteiligt werden können, womit ein Stück des verlorenen Vertrauens wieder hergestellt werden könne.
      
    StR Wachert von den Freien Wählern sah die Situation ganz anders als die Grünen. Er konstatierte, dass mit der Rücknahme des Beschlusses der Gemeinderat wieder das Heft in er Hand habe und in Kooperation mit Investor und Bürgerinitiative ein Kompromiss gefunden werden könne. Der müsse aber bezahlbaren Wohnraum für Familien beinhalten.
    Wachert sprach sich für einen von der Gemeinde zu erstellenden Bebauungsplan für das ganze Gebiet um das Gasthaus-Grundstück aus und wies darauf hin, dass die Freien Wähler weiterhin eine Veränderungssperre beantragen werden.
    Dann kam er noch auf die handelnden Personen bei der ganzen Planung zu sprechen. Er stellte fest, dass bisher immer mit Herrn Rukiqi verhandelt worden sei, dieser aber weder Geschäftsführer noch Prokurist noch eingetragener Anteilseigner der das Projekt Rainbach planenden Real Estate Development (RED) GmbH sei und somit keine Vertretungsbefugnis habe. Daher müsse die Stadt nunmehr mit den Personen verhandeln, die nach unserer Rechtsordnung zur Vertretung von Unternehmen befugt seine.
      
    Frau v. Reumont von der CDU schloss sich dem Votum der Grünen an. Sie sah in dem Verfahren, wie der Aufstellungsbeschluss zustande kam, eine gängige Praxis und sah keine Gründe, an der Integrität des Investors zu zweifeln. Die CDU sieht alle Gestaltungsmöglichkeiten noch offen, um in einem Dialog zu guten Ergebnissen zu kommen. Daher wolle die CDU den Bürgerentscheid.
       
    Für den für die SPD sprechende StR Hertel waren viele, von den anderen Fraktionen eingebrachten Argumente, nicht rechtlich eindeutig. Diese Position habe die SPD schon beim Aufstellungsbeschluss vertreten. Deshalb sei nun neu unter Beteiligung aller Interessierten zu entscheiden, also ein ganz neuer Bebauungsplanbeschluss zu fassen. Ein Bürgerentscheid berge die Gefahr einer Spaltung der Bürgerschaft und weniger die Chance eines Neuanfangs.
     
    StR Fritsch forderte auf, mit dem Bauherrn zusammen eine neue Lösung zu finden. Dazu müsse der Aufstellungsbeschluss aber nicht zurückgenommen werden.
     
    StR La Licata betonte, dass er nunmehr für die Aufhebung des Beschlusses sei, obwohl er ursprünglich für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan gestimmt habe. Es sei nicht nur legitim sondern geboten, eine Entscheidung zurückzunehmen, wenn die Bürger diese Rücknahme fordern, wie von den Initiatoren des Bürgerbegehrens und Unterstützern erwartet.
      
    Schließlich gab der Bürgermeister sein Statement ab:
    Er stehe nach wie vor hinter dem Beschluss zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Nun sei aber durch das Bürgerbegehren eine neue Situation entstanden, die drohe, den Entwicklungsprozess Rainbach aufzuhalten. Daher sei es nun konsequent, den besagten Beschluss aufzuheben, um weitere Planungen kurzfristig zu ermöglichen. Das sei kein Trick, sondern der pragmatische Weg, um mit und nicht gegen die Bürger Planungen voranzutreiben.
      
    Die anschließende Abstimmung ergab ein Patt: 14 Mitglieder des Gemeinderates stimmte für die Aufhebung des Beschlusses zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan, 14 Mitglieder waren dagegen. Damit war der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses abgelehnt.
       
    Tagesordnungspunkt Durchführung des Bürgerentscheids.
      
    Nachdem der Gemeinderat an seinem Aufstellungsbeschluss festgehalten hatte, war es seine Aufgabe, festzustellen, dass das Bürgerbegehren zur Durchführung eins Bürgerentscheides rechtens ist. Nun mussten die Voraussetzungen für Durchführungen dieses Bürgerentscheids geschaffen werden:
       
    Er soll zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September stattfinden. Dafür wurde ein eigener Gemeindewahlausschuss gebildet. Zur Abstimmung kommen soll die von den Initiatoren vorgeschlagene Fragestellung:
      
    „Soll der Beschluss des Gemeinderates der Stadt Neckargemünd vom 23.02.2021, Aufstellungsbeschluss Rainbach 2.0 aufgehoben werden?“
      
    Beantwortet die Mehrheit der am 26. September sich am Bürgerentscheid beteiligenden Bürgerinnen und Bürger diese Frage mit „ja“ und sind dies mindestens 20 Prozent der zu diesem Zeitpunkt Stimmberechtigten, wird der besagte Gemeinderatsbeschluss aufgehoben.
       
    Wird dieses Quorum nicht erreicht, muss der Gemeinderat in der Sache neu entscheiden, also nochmals darüber beschließen, ob er einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das Gaststättengelände in Rainbach aufstellen will.
      
    Anmerkung:
    Die bei der o.g. Abstimmung entstandene Situation ist schon eine besondere:
    Hätte der Gemeinderat im Februar mit 14:14 Stimmen über den Antrag zur Aufstellung des Bebauungsplanes Rainbach abgestimmt, wäre er nicht angenommen gewesen, da er keine Mehrheit gehabt hätte.
    Bei der jetzigen Abstimmung ging es um die Aufhebung des besagten Beschlusses, der wiederum eine Mehrheit gebraucht hätte. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag aber als abgelehnt.
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